Mittel und Methoden in der Stückentwicklung
Als Regisseurin und Co-Autorin von Theaterstücken
sehe ich den Prozess, die Weiterentwicklung der Probenmethode als ebenso wichtige Arbeit an, wie die Produktion des jeweiligen Stückes.
Als Grundlage für Stückentwicklungen, die den Hauptteil meiner Arbeiten ausmachen, dienen Themen, Sätze, oft auch Zeichnungen bzw. Illustrationen.. Die entstehenden Arbeiten, die sich an ein generationsübergreifendes Publikum wenden, werden als sehr besonders, poetisch, direkt, kraftvoll, humorvoll beschrieben und wurden zu wichtigen Festivals wie dem Körberstudio Junge Regie (2010) dem Westwindfestival (2013) dem Augenblick Mal Theatertreffen (2019) eingeladen und ausgezeichnet.
Gleichwertigkeit der theatralen Mittel
Ein elementar wichtiges Merkmal der Herangehensweise ist eine Loslösung vom Primat des Textes. Der Text wird von der etwaigen Verpflichtung entbunden, als einziger Bezugspunkt für schauspielerische Handlungen und Haltungen herhalten zu müssen, er ist weder die Bedingung-, noch die Grundlage für schauspielerisches Handeln, sondern ein wichtiger, lebendiger Teil davon.
Text wird als Textur verstanden, als Notation, als wesentliches kompositorische Element, wie vieles andere auch.
Co-kreative Beteiligung von Team und Ensemble : kollektive Textentwicklung und szenische Recherche
Einen Teil der Texte, die im Stück gesprochen, geflüstert, gelesen oder gesungen werden könnten, schreibe ich im Vorfeld. Ein anderer Teil entsteht in angeleiteten, ko- kreativen Prozessen während der gemeinsamen Probe. Hier kommen vor allem innnersprachliche Übersetzungen zum Tragen. Zum Beispiel werden in einer Übung automatischen Schreibens, Fragen formuliert, die, in Imperative übersetzt, im nächsten Schritt, zum Ausgangspunkt für das Solo (als bildnerisch / szenische Umsetzung) - einer dritten Person.
Auch die szenische Ideenfindung bedient sich kollektiver Prozesse und übersetzt Gedanken, in Sprache, in kurze szenische Skizzen. An der szenischen Recherche und der gemeinsamen Textproduktion sind das jeweilige Spiel-Ensemble aber auch alle anderen Mitarbeitenden, wie Bühne, Kostüm, Musik und Assistent*innen beteiligt.
Ausser dem zeitlichen Umfang, der vorgegeben ist, werden alle künstlerischen Entscheidungen in der Umsetzung (Format, Mittel, Ästhetik u.s.w.) von der jeweils ausführenden Person getroffen.
Lediglich die Auswahl, welche der entstehenden Texte und Szenen, in welcher Reihenfolge, im Stück vorkommen und ausgearbeitet werden sollen, treffe ich in meiner Verantwortung und Funktion als Regisseurin, zum Ende dieser gesamten ca. 14 tägigen Probenphase.
Freie (Arbeits-)Zeit und Feedback
Weitere Aspekte der Probenarbeit sind nichtmündliche Formen des flachhierarchischen Feedbacks (wie sie im Artikel Directing in Theatre for Young Audiences beschrieben sind) und Zeiten der vollständig freien Arbeit.
Während der Freiarbeitszeit, eine Stunde täglich, meist gegen Ende einer Probe, steht es allen Beteiligten frei, an einer der szenischen Skizzen und Ideen weiter zu arbeiten oder auch etwas völlig Neues und Anderes zu machen.
Wahrnehmung, Darstellung und Dokumentation
Um die Parallelität der Ereignisse und die Gleichwertigkeit der künstlerischen Mittel auch im Regiebuch abzubilden, werden Formen der Dokumentation nötig, in denen die zeitgleich stattfindenden Ereignisse auch als parallele Stränge notiert werden können (also auch im grafischen Erscheinungsbild nicht mehr der einen logisch- linearen Erzählung untergeordnet sind). Ausprobiert werden deshalb, anstelle des fortlaufenden Textes mit Anmerkungen, tabellarische Formen. In ihnen werden z.B. die Funktion einer Szene in der Gesamtdramaturgie, die Funktion von Video, Musik und Licht, die erwünschte Stimmung/Atmosphäre im gemeinsamen Raum mit dem Publikum, der Text, Positionen und Wege im Raum u.v.a.m. in der Fassung für die Spieler*innen und Gewerke (Licht, Ton, Inspizienz, Technik) dokumentiert. Vor allem die körperlichen Handlungen der Darsteller*innen erfahren eine genaue Beschreibung. Hierfür greife ich v.a. auf Begriffe des Choreografen Rudolf von Laban zurück, der mit der sog. Laban-Notation ein umfassende Untersuchung und Beschreibung von Bewegungen im Raum vorgelegt hat, die m.E. hervorragend für Schauspiel adaptierbar ist.
Die spielerische Realität, dass man, sobald man auf der Bühne ist, spielt, und zwar sowohl mit – als auch ohne Text, wird auf diese Art und Weise für Andere bewusst wahrnehmbar abgebildet.
Besonderheit und Chancen der Methode
Die oben beschriebene Probenmethode der geteilten Autor*innenschaft ermöglicht persönliches Engagement, Identifikation mit – und Loslösung von - dem entstehenden szenischen Material. Die künstlerische Verantwortung und Selbstwirksamkeit aller Teammitglieder wird praktisch erfahrbar, ab Probenbeginn haben sie direkten Einfluss auf die Relevanz und szenische Umsetzung der verhandelten Themen. Die besondere Stärke der Arbeitsweise liegt m.E. in der Schlichtheit und Effektivität. Der hohe (nichtmündliche) kommunikative Anteil, schafft eine besondere Konzentration und Leichtigkeit der Arbeitsatmosphäre. Die wechselseitige Inspiration als oberstes Prinzip entlastet die Spieler*innen von dem Druck, „originell“ oder „gut“ sein zu müssen. Nicht einmal besonderes darstellerisches Talent oder Hang zu Expressivität wird (in der Stückentwicklungsphase (!) von den Beteiligten verlangt oder erwartet, im Gegenteil, oft sind die Beiträge stillerer Teamkolleg*innen die spannendsten.
Einsatzmöglichkeiten
Zu Beginn eines jeden Probenprozesses, bei dem Interesse an inhaltlicher, sprachlicher oder szenischer Beteiligung des Ensembles/ der Spieler*innen besteht.
Erprobte Dauer: 10 -14 Tage.